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Diana Lehmann

Es geht es um Menschen, wenn wir über Flüchtlingspolitik sprechen.

Landtag

Lesen Sie meine Plenarrede zur Regierungserklärung des Ministers für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zur Flüchtlingspolitik in Thüringen am 24.08. 2015

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Gäste,

es wurde heute schon einmal angesprochen, dass mehr Sachlichkeit der Debatte zum Thema guttun würde. Das wissen wir nicht nur, wenn wir Presseberichterstattungen oder die sozialen Medien verfolgen, sondern auch, wenn wir hier die Debatten im Hohen Haus verfolgen. Ich muss sagen, dass ich mir nicht ganz sicher bin, ob eine Gleichsetzung der Zwischenfälle in Heidenau mit den Auseinandersetzungen in Suhl einer stärkeren Sachlichkeit in der Debatte tatsächlich guttut. Fernab aller Sachlichkeit geht es aber auch um Menschen, wenn wir über Flüchtlingspolitik sprechen. Um uns das noch mal zu vergegenwärtigen, würde ich gern ein Beispiel ausführen: Ich habe einen guten Freund, der ist vor vielen Jahren nach Deutschland geflohen, der hat hier eine Arbeit, er ist gewerkschaftlich engagiert, seine Kinder sind in Deutschland geboren, die gehen hier zur Schule, der hat aber eine dunkle Hautfarbe, wird deswegen regelmäßig mit Anfeindungen konfrontiert. Mit dem habe ich mich kürzlich unterhalten und da hat er zu mir gesagt, er ist so dankbar, dass er hier in Deutschland sein darf, weil er in seiner Heimat jetzt tot wäre, weil er dort nicht sicher ist. Hier in Deutschland ist er zu 80 Prozent sicher und er meint, es wäre gut. Ich muss sagen, dass mich diese Aussage zutiefst geschockt hat, weil ich dachte, ich selbst würde nicht mit einer Sicherheit von 80 Prozent in Deutschland leben wollen. Ich möchte das auch für keinen anderen Menschen, der hier leben muss, egal woher er kommt, sei es aus Erfurt, sei es aus Berlin, sei es aus Syrien, sei es aus dem Libanon. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns die Situation zurzeit in Dresden, in Heidenau, in Freital ansehen, dann bin ich mir nicht sicher, ob wir von dieser 80-prozentigen Sicherheit überhaupt noch sprechen können. Es geht nicht nur darum, dass Flüchtlinge hier sicher sind, sondern es geht auch darum, dass wir für diese Menschen eine Politik machen, mit der sie gut untergebracht und versorgt, aber auch betreut werden. Ich finde die Debatte schwierig, dass wir sagen, wenn es immer mehr Menschen werden, können wir damit nicht mehr umgehen. Das ist natürlich ein Argument. Natürlich erzeugt es Druck, wenn mehr Flüchtlinge kommen. Aber das, worüber wir hier sprechen, ist Schutzbedürftigkeit. Das ist das, was wir mit dem Asylrecht wollen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Argumente, die man hier nicht gegeneinander ausspielen kann. Dass das, was wir hier zurzeit vor uns haben, eine Kraftanstrengung ist, die wir nur gemeinsam über alle politischen Ebenen bewältigen können, mit Vereinen, mit Verbänden, mit engagierten Personen, das wissen wir – aber auch nicht erst seit Beginn der Sommerpause, sondern schon seit vielen Jahren. Es ist auch bei Weitem nicht das erste Mal, dass wir uns hier im Plenum mit dem Thema beschäftigen, genau genommen haben wir das eigentlich in fast jeder Plenarsitzung getan. Es gibt unzählige Anträge und Aktuelle Stunden dazu, es gibt eine ganze Reihe von Kleinen Anfragen. Ich muss sagen, dass ich es unredlich finde, wenn die CDU-Fraktion jetzt so tut, als hätte sie mit der Situation, mit der wir jetzt konfrontiert sind, rein gar nichts zu tun. Manchmal hat man den Eindruck, sie hätte vergessen, dass sie schon 25 Jahre in diesem Land regiert hat und für den Themenbereich relativ lange zuständig war. Ich muss sagen, dass ich das für die Debatte insgesamt nicht hilfreich finde. Wir können jetzt redlich darüber diskutieren, wer hier zu Recht nach Deutschland einreist und wie hoch oder niedrig Anerkennungsquoten bestimmter Nationalitäten sind. In der Debatte bringt uns das aber kein Stück weiter, weil es die Probleme, die wir zurzeit in der Flüchtlingspolitik haben, nicht löst. Uns bringt auch eine Diskussion über sichere Herkunftsstaaten recht wenig. Nicht nur, weil es – meiner Meinung nach – eine Einschränkung des Asylrechts ist und damit nicht hinnehmbar, sondern auch, weil es zu keiner sichtbaren Veränderung bei Antragstellungen führt. Wenn wir dann wissen, dass Anerkennungsquoten von Flüchtlingen aus dem Westbalkan in der Schweiz oder in Frankreich auch deutlich höher sind als hier, nämlich teilweise bei 20 Prozent, wenn wir uns die Asylanträge von Mazedonien in der Schweiz ansehen, dann muss ich klar sagen, dass das nicht nur für die Debatte nicht hilft, sondern es ändert einfach auch an der Situation nichts. Wenn ich etwas von Wiedereinführung von Grenzkontrollen lese, dann muss ich sagen, bin ich manchmal nicht sicher, ob ich lachen oder weinen soll. Anders als die meisten hier im Raum habe ich die ehemalige DDR wesentlich kürzer erlebt. Darüber bin ich auch froh. Was mein Empfinden zu Grenzen betrifft, ist das eher etwas, was die EU angeht. Da reden wir über Grenzöffnungen, das ist für uns alle ein hohes Gut. Das ist eine Freiheit, für die wir lange gekämpft haben. Keiner von uns will die doch ernsthaft wieder einbüßen. Das Gegenteil ist der Fall. Wie offen wollen wir denn leben in einer Welt, die voller Grenzen ist? Eine Frage, die auch immer wieder aufgeworfen wird, ist, wie man es eigentlich noch leisten soll, wenn immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Aber auch hier hilft ein Blick auf die Zahlen. Wir wissen, dass weltweit mindestens 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Von denen stellt nur ein Bruchteil von ungefähr 1,8 Millionen Menschen einen Asylantrag. Das ist natürlich viel, aber es ist auch nur die Spitze des Eisbergs von dem, was wir real sehen. Wenn wir die Zahl der Geflüchteten zum Beispiel ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzen, dann leisten Länder wie der Libanon weit mehr als Deutschland. Deutschland kommt da im Vergleich lediglich auf Platz 50. Auch wenn wir uns die Zahl der Geflüchteten im Verhältnis zur Wirtschaftskraft angucken, dann landet Deutschland nur auf Platz 49. Warum das gerecht sein soll, warum Länder wie der Libanon, Pakistan, Äthiopien oder der Tschad mehr zur Flüchtlingspolitik beitragen als wir als reiches Deutschland, das muss mir an anderer Stelle mal jemand erklären. Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen, die wir auf Landesebene umgesetzt haben oder umsetzen wollen. Das eine ist ein besserer Betreuungsschlüssel. Die CDU ist ja auch zu der Einsicht gekommen, dass da Verbesserungen notwendig sind, dazu können wir Sie nur beglückwünschen. Wir können Ihnen auch die gute Nachricht überbringen, dass wir das mit dem vergangenen Haushalt längst beschlossen haben und dass wir natürlich auch daran arbeiten, dass wir hier eine weitere Verbesserung erreichen werden. Wir brauchen eine Verbesserung bei der Unterbringung, das haben wir schon gehört. Die Zustände in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind zurzeit schwer hinnehmbar, was die baulichen Voraussetzungen, auch was die hygienischen Bedingungen angeht. Natürlich brauchen wir auch mehr Flüchtlingsunterkünfte in den Kommunen. Und natürlich werden wir auch weiter daran arbeiten, dass es hier mehr dezentrale als zentrale Unterbringungen gibt. Selbst die Gewerkschaft der Polizei hat jetzt kürzlich noch mal verkündet, dass das tatsächlich die gewünschte Unterbringungsform ist, weil es weniger Konflikte zum Beispiel in der Bevölkerung oder auch untereinander bringt. Wir setzen uns ein für kommunale Integrationskonzepte, weil es eine wichtige Frage ist, wie wir Vereine, Verbände, Kommunen, Schulen, Kindertagesstätten, Jugendeinrichtungen vernetzen und wie man ein möglichst dichtes Netz von Unterstützung, von Beratungsangeboten, von Freizeitangeboten schafft. Eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sich jemand hier integrieren kann, ist, dass es tatsächlich auch ein Angebot gibt. Wir wollen eine Stärkung ehrenamtlicher Strukturen. Es ist unglaublich erfreulich, wie viele Menschen sich in Thüringen für Flüchtlingspolitik einsetzen. Trotzdem ist es schwierig, wenn Sozialarbeiter in einer Gemeinschaftsunterkunft mehr damit beschäftigt sind, Ehrenamtliche zu koordinieren als Flüchtlinge zu betreuen. Das kann nur eine hauptamtliche zusätzliche Stelle sein und auch dafür wollen wir uns einsetzen. Wir wissen aber auch, dass das keine Aufgabe ist, die wir nur als Land bewältigen können, die nur die Thüringer Kommunen bewältigen können, sondern dass es hier auch eine Verantwortung auf Bundesebene gibt. Ganz zentral ist hier die Frage nach einer strukturellen Finanzierung der Flüchtlingspolitik. Das heißt, dass wir eine Finanzierung brauchen, die sich auch an der Anzahl der Flüchtlinge orientiert, und nicht einmalige Finanzspritzen kommen, die unzuverlässig sind, sondern dass wir eine dauerhafte, langfristige und verlässliche Finanzierung bekommen, weil das die Voraussetzung dafür ist, dass nicht nur wir als Land, sondern auch die Thüringer Kommunen gute Flüchtlingspolitik vor Ort machen können. Wir wollen eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen, das haben wir schon gehört. Die Aufstockung der Stellen im BAMF ist da eine ganz entscheidende Frage. Wir wollen auch, weil auch das ein wichtiger Beitrag ist, die Einführung eines Einwanderungsgesetzes und damit Möglichkeiten schaffen, auch auf anderen Wegen nach Deutschland zu kommen. Es gibt einen Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion. Ich würde da sogar so weit recht geben, dass daran sicherlich noch gearbeitet werden muss und dass er so, wie er momentan ist, nicht unbedingt bleiben kann. Ich würde auch sagen, dass ein Punkte-System, das den Wert eines Menschen daran festlegt, welche Ausbildung er hat, sicherlich dem Problem, was wir hier haben, nicht gerecht wird. Was daran gut ist, ist, dass wir damit Sicherheit schaffen für Menschen, die hier einer Ausbildung nachgehen, die hier einer Arbeit nachgehen und dass damit auch klar ist, die können, wenn sie eine Ausbildung oder eine Arbeit haben, bleiben. Das gibt nicht nur den Personen, die das betrifft, Sicherheit, sondern auch den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Das ist unglaublich wichtig. Was wir darüber hinaus brauchen – das haben wir jetzt schon mehrfach gehört –, ist eine wirkungsvolle Entwicklungshilfe. Trotzdem steht damit außer Frage, natürlich müssen wir wirkungsvolle Entwicklungshilfe in den Herkunftsstaaten der Menschen machen, weil es wünschenswerter ist, dass Menschen in ihrer Heimat bleiben können, als flüchten zu müssen. Nichtsdestotrotz ändert das für die Menschen, die schon auf der Flucht sind, die momentan von Diskriminierung und Ausgrenzung, von Krieg bedroht sind, nichts. Denen müssen wir weiterhin Asyl gewähren und deswegen ändert es auch nichts daran, dass wir hier im Land auch tätig sein müssen. Bei all diesen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, können Sie uns helfen, indem Sie zum Beispiel heute diesem Antrag zustimmen und indem Sie sich auch bei Ihrer Bundestagsfraktion und Ihrem CDU-geführten Innenministerium dafür einsetzen, dass es tatsächlich so weit kommt. Herr Mohring, vielleicht beherzigen Sie Ihren eigenen Rat, den Sie uns vorhin angetragen haben, reden Sie mit Ihrem Bundesinnenminister und unterstützen Sie uns. Damit wäre sicherlich deutlich mehr Menschen geholfen als mit Schaufensteranträgen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

 

 
 

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